Irgendwann kam dieser Anruf aus München. Ein Mann. Er
sprach hochdeutsch. Er stammelte. Er schien gestresst. Vielleicht verlegen oder
schüchtern. Ich wartete. Und dann wurde ich mit dieser Frage beschenkt: Können
Sie mir helfen, eine Frau zu finden?
Ich bin selten sprachlos. Aber eine solche Frage hatte
ich noch nie gehört. Bis ich antworten konnte, fing er einfach an zu reden.
Es wurde ein längeres Gespräch. Dieser Mann – nennen wir
ihn Wölfi – hatte irgendwo gehört, dass ich in einem Beratungsgespräch einem
Mann geholfen hatte, die Ehefrau zu finden. Ich bin Marktforscherin und am Ende
einer Präsentation ergab sich ein Zufall. Es war Glück. Dieses Glück führte zur
Hochzeit. Dieses Glück wollte Wölfi nun auch haben. Und weil er glaubte, dass
ich Ehefrauen- oder Glücksproduzentin bin oder so etwas Ähnliches – liess er
sich meine Telefonnummer geben.
Ich mache es kurz: Wölfi kam am Wochenende zur Beratung.
Beratung war OK. Ich mache Beratungen für Managerinnen und Manager – ich bin –
auch - Coach. Wir redeten – eigentlich redete er.
Wölfi ist Manager und als solcher gewohnt, sich Ziele
zu setzen, einen Plan zu machen und diesen abzuarbeiten. Wölfi kann
Fehlerquellen entdecken – auch seine eigenen – und Lösungen finden. Und wenn er
keine Lösung hat, geht er dahin, wo es Lösungen gibt. Insofern war er schon
richtig. Wölfi meinte, er sei etwas trist und finster – und das
mögen Frauen nicht. Ich sollte also eine Lösung für „die Finsternis“ finden und
ihn strahlen lassen.
Für meine Klient*innen lade ich manchmal Expert*innen
zu Themen ein, die meine Klient*innen „spannend“ finden. So gab es mal ein
Seminar mit einem Model, das wir aus den Medien kennen. Ich hatte noch nie
erlebt, dass Menschen so schnell an Selbstbewusstsein gewinnen konnten, wie
nach diesem Seminartag: Dieses Model zeigte, wie ein einfacher Gang durch einen
Raum, die richtige Körperhaltung und ein Lächeln kleine Wunder bewirken können. Ich liess mich von ihr unterrichten – das war
nicht schwer – hatte ich doch zuvor schon bei einer Kölner Professorin
Schauspiel-Unterricht genommen.
Wölfi war ein glänzender Schüler – und ein
erfolgreicher. Am Sonntag konnte ich schon ein kleines Lächeln entdecken – und
langsam begann es in ihm zu sprudeln, was er noch alles machen wollte. Am Montagmorgen waren wir guter Dinge und mit
unserer Arbeit sehr zufrieden. Er hatte am Wochenende bereits mit alten
Freundinnen telefoniert – und Komplimente bekommen – und noch einen Tipp, den
wir dankbar in sein Portfolio aufgenommen haben.
Wölfi startete nun sein Abenteuer. Hin und wieder bekam
ich eine kurze Notiz oder eine Anruf –
er pausierte kurz – und dann ging es weiter. Wölfi sollte Recht behalten.
Wenige Wochen nach unserem Gespräch lernte er eine Frau kennen: Nennen wir sie
Anina. Sie entsprach der Frau, von der
er mir in Köln erzählte: „So soll sie sein“. Seine Augen strahlten als er mich
mit Anina bekannt machte. Drei Monate
später wurde in München die Hochzeit gefeiert. Und Anina wurde wirklich das
Glück seines Lebens.
Der nächste Anruf dieser Art kam aus Köln. Wir nennen
ihn Marcus und seine Wunsch-Frau (Esther)
war schon gefunden – aber die Sache mit dem Heiratsantrag – das schien ein
unüberbrückbares Hindernis zu sein. Jedoch nicht nur ein Hindernis. Hier ging es um eine echte Herausforderung: nicht nur
um die Verbindung von zwei Menschen, sondern um die Verbindung zweier Kulturen,
zweier sozialer Milieus mit all den Familien, die dazu gehörten. Ich erinnerte mich an Stolz und Vorurteil – und gerade
Stolz und Vorurteil mussten überwunden werden. Es schien schwierig. Es gab
viele Gespräche – alleine – dann auch mit der Braut. Und schliesslich fanden die beiden Vertrauen. Vertrauen in sich – und Vertrauen für einander. Auf Wunsch der
Braut beteten wir gemeinsam.
Es mag sein, dass dies Marcus Mut gegeben hat.
Jedenfalls fühlte er sich jetzt langsam sicherer. Und so kam es zum Kniefall –
ja, ganz romantisch. Sie sagte JA.
Und ich tanzte ein Jahr später auf ihrer Hochzeit.
Auch das ist schon lange her. Beide leben noch immer
glücklich zusammen – und haben auch ihr Wunschkind bekommen.
Seitdem habe ich viele Hochzeiten erlebt. Immer wieder ist der Gedanke von Hermann Hesse anwesend: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber
inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“
Lilli Cremer-Altgeld